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„Wege zur Weltbürgerschaft“ in Loipersbach. Eine Ausstellung des Europahauses in der Evangelischen Pfarrkirche vom 31. Okt. – 30. Nov. 2025.

„Ich war Weltbürger, ehe ich Staatsbürger wurde, und ich bleibe Weltbürger, wenn ich einmal aufgehört habe, Staatsbürger zu sein.“ [Jens Baggesen, dänischer Schriftsteller, 1764-1826]

„Nicht die Heimat ist ein Recht, sondern das Recht, im Recht zu leben ist eine Heimat.“
[Hannah Arendt, 1906-1975]

Wald der Kosmopolit:innen in Loipersbach

Seit 31. Oktober 2025 ist unsere Ausstellung „Wege zur Weltbürgerschaft“ in Kooperation mit der Evangelischen Pfarrgemeinde in Loipersbach zu sehen. Einen Monat lang kann man in der Pfarrkirche die Textilinstallation „Wald der Kosmopolit:innen“ bewundern. Die Zeichnungen von Cartoonist Mag. Klaus Pitter in Textilgestaltung von Veronika Stegbauer laden Besucher:innen dazu ein, Persönlichkeiten kennenzulernen, die ihr Leben in weltbürgerlicher Haltung gestaltet haben – einige von ihnen sind wohl den meisten bekannt, andere nur wenigen. Wir begegnen inspirierenden Persönlichkeiten mit einem starken Engagement für kosmopolitische Werte, Frieden und Menschenrechte. Zwischen den Kirchenbänken, an den Wänden und vor den bunten Fenstern hängen die von den Farben des Waldes inspirierten Stoffbahnen und erzählen von Menschen, die über nationale Grenzen hinweg gedacht und gelebt haben. Eine Stoffbahn jedoch zeigt keine Charakterzeichnung – Sie trägt einen Spiegel und lädt uns ein, die Frage an uns selbst zu richten: Sind wir schon Weltbürger:innen? Wo beginnt unsere Zugehörigkeit?

Dietrich Bonhoeffer im Wald der Kosmopolit:innen

Durch das vorderste Kirchenfenster fällt das Licht auf das Gesicht Dietrich Bonhoeffers. Ihm wurde im Rahmen der Ausstellung ein eigener Veranstaltungstag gewidmet – 2025 jährt sich sein 80. Todestag.

Der Theologe und Widerstandskämpfer Bonhoeffer (1906–1945) trat früh gegen das nationalsozialistische Regime auf, engagierte sich in der Bekennenden Kirche und wurde schließlich wegen seiner Beteiligung am Widerstand gegen Hitler hingerichtet. Sein mutiges Handeln macht ihn bis heute zu einer Symbolfigur für Zivilcourage und Verantwortung. Bei einem Filmnachmittag wurde der Film „Die letzte Stufe“ gezeigt, der den Zuschauer:innen Einblicke in Leben und Wirken Bonhoeffers gab.

Auch bei der Vernissage wurde Bonhoeffers Haltung und seine Einstellung als Bewohner und Gast der Erde in einer Performance aufgegriffen:

„Ich bin ein Gast auf Erden…“ (Psalm 119, 19a) – so Dietrich Bonhoeffer –
…damit bekenne ich, daß ich hier nicht bleiben kann, daß meine Zeit kurz bemessen ist.
Auch habe ich hier kein Anrecht auf Besitz und Haus.
Einen festen Halt habe ich weder an Menschen noch an Dingen.
Als Gast bin ich den Gesetzen meiner Herberge unterworfen.
Die Erde, die mich ernährt, hat ein Recht auf meine Arbeit.
Es kommt mir nicht zu, die Erde, auf der ich mein Leben habe, zu verachten.“

Die Idee der Weltbürgerschaft

Doch was bedeutet Weltbürgerschaft und was macht Weltbürger:innen aus? Eine poetisch-philosophische Annäherung an die Idee der Weltbürgerschaft ist die bei der Ausstellungseröffnung aufgeführte Performance „Stücke gegen die Verstaatlichung der Welt“ von Dr. Hans Göttel,  ehemaliger Studienleiter des Europahauses.  In einer gemeinsamen Aktion von Mitgliedern des Europahauses und der Evangelischen Pfarrgemeinde – musikalisch begleitet von Gabor Rainaj und Orsolya Sarosi – führte das Stück mit Bildern, Zitaten und historischen Bezügen durch die Frage, warum Weltbürgerschaft notwendig ist – und warum sie heute dennoch so schwer Wirklichkeit werden kann. Das Stück beschreibt eine Welt, die unter globalen Krisen ächzt, und stellt die Frage, ob staatlich definierte Bürgerschaft heute noch ausreicht. Historische Stimmen wie Diogenes von Sinope oder Erasmus von Rotterdam werden aufgegriffen, um zu zeigen, dass weltbürgerliches Denken immer dort beginnt, wo Menschen ideologische und nationale Begrenzungen hinterfragen. Eine weltbürgerliche Haltung wird als nicht primär politisches Engagement, sondern eine geistige Praxis beschrieben: durch das Schärfen der eigenen Wahrnehmung und das Abstandnehmen von ideologischen Vereinnahmungen, um sich nicht durch nationale Interessen prägen zu lassen.

Im angrenzenden Luthersaal findet die Ausstellung ihre Fortsetzung mit Karikaturen – unter anderem zu den 17 Nachhaltigkeitszielen der UN, zu Risiken und Chancen weltbürgerlichen Denkens sowie einem „Ringelspiel“ mit Gesprächsmöglichkeit. Die Installation gibt keine fertigen Antworten darauf, wie wir leben sollten – vielmehr lädt sie dazu ein, weiterzufragen: Wo fühlen wir uns zugehörig, und was stiftet Zugehörigkeit? Sind es nationale Grenzen – oder ist es nicht die eine Welt, die uns alle verbindet?
Wie werden wir zu Bürgerinnen und Bürgern dieser Welt, und warum hinterfragen wir so selten die einzige Instanz, die heute aus Menschen Bürger:innen macht – den Staat?

Und so schließt die Performance mit folgender Botschaft:

Weltbürgerschaft hat (noch) keine Wirklichkeit, Daher, so denken wir, braucht sie ein künstlerisches Gelände. Wo das Denken ins Tanzen kommen kann. Wir haben es angelegt, eine ambulante Installation, wie das Europahaus selbst. Mit dieser Ausstellung möchten wir eine Ansichtssache zur Ansicht bringen – als zwanglose Empfehlung zur weltbürgerlichen Landesgestaltung. Dafür sind wir da: die Bildung in weltbürgerlicher Gesinnung auf Europa auszurichten, eine neue Bürgerschaft denkend, spielerisch vorzubereiten. Sie in eine Gemeinschaft zu bringen, von wo aus sie in die Wirklichkeit wirken kann.

[Auszug aus den „Stücken gegen die Verstaatlichung der Welt“ von Hans Göttel, Studienleiter i.R.]

Wir bedanken uns bei der Evangelischen Pfarrgemeinde Loipersbach für die gelungene Kooperation, die Gastfreundschaft und die vielen Begegnungen in weltbürgerlichem Geiste!

Bilder von der Ausstellung

Bilder: c Sylvia Kumaus & Europahaus Burgenland