Josef und Mary Pampalk machten – über Mission und EZA – jahrzehntelang Erfahrungen mit zivilgesellschaftlichen Initiativen in Mosambik.
Mit Bildern und Gesprächen vermittelte Josef Pampalk am 10.12.2019, dem Tag der Internationalen Menschenrechte, Einblicke in die Gegenwart und geschichtliche Hintergründe.
Politik und Kirche in Mosambik
von Josef Pampalk
„Wir scheinen mehr unter dem neuen schrecklichen Gesetz des Mars zu stehen als unter dem der Musen.“
So zitiert Jella Jost nach einem Ausstellungsbesuch in der Wiener Albertina die Künstlerin Maria Lassnig. Kritische Sozialwissenschafter wie Bertelsen Bjorn Enge oder Bernd Weimer kommen in Bezug auf die jüngsten Entwicklungen in Mosambik zu einer ähnlichen Schlussfolgerung bzw. ernsten Hinterfragung. Ja, sie sehen in der strukturellen Gewalt seitens des Staates eine der Hauptursachen der andauernden gewaltsamen Konflikte. Um von dieser Verantwortung abzulenken, werden diese von manchen einseitig den Islamisten im Norden des Landes in die Schuhe geschoben…
Anfang September 2019 war Papst Franziskus vom Staatspräsidenten Nyusi zu einem Blitzbesuch eingeladen, aber nur in Maputo – nicht bei den Zyklonopfern. Diese Begegnung war gewiss eine einmalige Chance – seitens der Kirche wie der Politik – ehrlich die Ursachen von Leiden, Kritik, Unzufriedenheit und Widerstand zu benennen, zu überwinden und so endlich einen Neuanfang zu ermöglichen. Mitte Oktober 2019 fanden Parlaments- und Präsidentschaftswahlen statt und machten deutlich, in wieweit ein Neubeginn gewollt war, oder wie auch aus dieser einmaligen Chance eine versäumte wurde, aus diesem schmalen ‚window of opportunity‘ – ‚a missed opportunity‘.
Am Tag als der Papst aus Maputo abreiste, war auch der ehemalige Präsident von Zimbabwe Robert Mugabe gestorben. In einem Nachruf am 6. September schrieb Wilf Mbanga: „Ja, wir haben ihn einst geliebt… aber ich finde es schwer, um ihn heute zu trauern. Mugabe hat zunehmend ‚the rule of law‘ missachtet… Faire Wahlen durchzuführen, das ist heute bei dem herrschenden ‚Mugabeismus‘ noch ziemlich unmöglich“. Jetzt, nach diesen Wahlen in Mosambik, bestätigen Zivilgesellschaft wie EU-Vertretung und Medien, dass es bei diesen Wahlen noch schwerere Mängel als bei bisherigen gegeben hatte. Also ein verfehlter Test für die Frelimo? Wie ist er zu beurteilen? Die Zivilgesellschaft hatte befürchtet, auch der Papstbesuch würde politisch instrumentalisiert, und gefordert, die Menschenrechte klar zu thematisieren.
Im August 2019 waren in Maputo zwei Veröffentlichungen zur Zeitgeschichte von Kirche und Politik vorgestellt worden, die einen breiteren Reflexions-, Diskussions- und Erneuerungsprozess anstoßen hätten können, im Vorfeld der Begegnungen um den Papstbesuch. Meine beiden Buchbesprechungen können nachgelesen werden im ‚The Zimbabwean‘: am 22. August wurde das Buch „Catholicism and the Making of Politics in Central Mozambique 1940-86“ von Eric Morier-Genoud vorgestellt und am 29. August das Buch von Lawe Laweki: „Mateus Gwenjere, a Revolutionary Priest“, der nach der Unabhängigkeit von der Frelimo gemeinsam mit anderen exekutiert worden war.
Beide Bücher buchstabierten und drückten sehr deutlich die anstehenden Herausforderungen aus. Aber weder kirchliche Hierarchen noch politische Führer der Regierung wie der Opposition waren fähig und willig, eigene vergangene Fehler öffentlich einzugestehen, um sie zu beheben und künftig nicht zu wiederholen.
Nur der Bischof von Pemba im Norden des Landes, D. Luis Fernando Lisboa, hatte bereits 2017 illegale und geheime Staatsschulden von bis zu 2 Milliarden USD durch Parteibonzen und -freunde denunziert. Das wurde sofort vom Staatspräsidenten als inakzeptable Einmischung in die Politik zurückgewiesen. Im Vorfeld des Papstbesuches hat derselbe D. Luis in einem Pastoralbrief vom 22. Juli 2019 mit noch deutlicheren Worten die ‚state capture‘ angesprochen (das ‚Einspannen des Staates‘ für private Bereicherung à la Südafrika unter Ex-Präsident Jacob Zuma, wo es aber noch eine unabhängige Justiz gibt). Deshalb wurde am 4. und 11. November 2019 von einer Wochenzeitung vorläufig zweimal eine heftige Kampagne gegen diesen Bischof gestartet und ihm mit Landesverweis gedroht. Die Bischofskonferenz hat sofort am 4. November ihre Solidarität mit dem verleumdeten Bischof erklärt; ebenso der einheimische Klerus, der fälschlich gegen ihn ausgespielt worden war, stellte sich einstimmig und deutlich hinter ihn. Aber der Konflikt geht weiter… Warum eigentlich?
Weil mächtige politische und ökonomische Interessen an reichen Bodenschätzen im ganzen Land, besonders von Flüssiggas im Norden, involviert sind und das Volk ausschließen, sowohl administrativ wie gewaltsam. Daher die eingangs zitierte Frage: Wird Gewalt definitiv dominant als Regierungsform? Es wäre zu simpel bloß zu antworten, Franz Fanon zitierend: „Der Unterdrückte beherbergt in sich drinnen den Unterdrücker“. Es ist aber sehr berechtigt, sogar höchst dringend, die Politik zu hinterfragen: Pflegt nicht die Frelimo, als Befreiungsbewegung wie als Regierungs-partei, auf jede Meinungsverschiedenheit immer nur autoritär zu reagieren, und erst recht auf enorm gestiegene Unzufriedenheit? Beschränkt sie nicht den Zugang zu Dienstleistungen, Positionen, Joint Ventures und Chancen zu exklusiv auf ‚ihre Leute‘? Werden Missbrauch, Korruption und Unrecht nicht fast systematisch vor Korrektur und gerichtlicher Verfolgung geschützt, Journalisten eingeschüchtert und Kritiker mundtot gemacht? In Zimbabwe fiel beim Begräbnis von Mugabe kein Wort über die von ihm zu verantwortenden Massaker an den Ndebele. Solange Hardliner in der Frelimo das letzte Wort haben, kann es in Mosambik keine Chance geben, Menschenrechts-verletzungen oder außergerichtliche Hinrichtungen im Laufe von Befreiungskampf und Revolution zuzugeben und so alte Wunden zu heilen?
Wäre es nicht zumindest weise, wenigstens die Gräber der Getöteten zu identifizieren – wie Laweki es im notwendigen Versöhnungsprozess als mindeste Geste fordert? Dass Michael Lapsley, ein südafrikanischer Pfarrer, ANC-Mitglied und Opfer des Apartheid-Terrors, das Vorwort zu seinem Buch schrieb und bei der Präsentation sogar künftig eine unterstützende Mitarbeit seines ‚Institute for Healing of Memories‘ anbot, das öffnet eine realistische und verheißungsvolle Tür. Und es gibt im Land noch viele potentielle Mitengagierte – wie 4.000 freiwillige Wahlbeobachter beweisen, obwohl sie der vom Kriegsgott Mars dominierte Staatsapparat nicht anerkannt hat.
Morier-Genouds interdisziplinärer Methodenansatz des ‚managing diversities‘ (nach Max Weber) bei seiner Studie der sehr einmaligen Entwicklungen in Beira vor der Unabhängigkeit (1975) ist sehr originell und vermeidet politische Parteinahmen. Aber er ist trotzdem nicht hinreichend geeignet, die tiefer liegenden Dynamiken, Beweggründe, Erfahrungen gebührend zu erfassen. Im beispiellosen Beschluss eines ganzen Missionsordens 1971, nicht länger mit Portugals Kolonialkirche mitzuarbeiten und damit den Vatikan vor vollendete Tatsachen zu stellen, konnte diese Methode zwar eine ‚erstmalige Vorreiterrolle‘ festmachen. Aber in diesen heiklen Optionen, wo schließlich 1974 Bischof Manuel Vieira Pinto gegen den Kolonialkrieg zu predigen und einen offenen Bruch mit der überholten Kirche zu provozieren wagte, sodass er von Portugal einen Landesverweis bekam, darin sieht diese Methode nur ein Scheitern im ‚managing diversity‘. Es war kein Versagen im Aufrechterhalten von ‚kirchlicher Einheit‘, sondern ein Sichtbarmachen der bestehenden Spaltung innerhalb einer Kirche des überholten status quo („moment of truth“ genannt im Dokument ‚Kairos Südafrika‘).
In Südafrika analysierten Christen unter dem Apartheid-Regime 1985 dieselbe interne Teilung und denunzierten, dass ein Teil der Kirche die Rassendiskriminierung unterstützte; ein Teil der Kirche sich in sich selbst und ins ‚Spirituelle‘ zurückzog; dass aber ein kleiner gewichtiger Teil sehr mutig Stellung für die Rechte aller bezog. Genau diese Krise der 1960/70er Jahre mit Brennpunkt in Beira war die Voraussetzung für die endgültige Überwindung von „Portugals Konquistamission in Südost-Afrika“, welche fast 500 Jahre lang das Schicksal von Thron und Altar, Schwert und Kreuz verknüpft und vermischt hatte.
Insofern ist der abschließende und nicht urteilende Optimismus von Morier-Genoud in seinem Buch vielleicht doch gerechtfertigt. Ja, eine andere Art von Kirche ist trotz allem im Entstehen, und zwar eine die – ohne Ambivalenz und Furcht – für die Rechte der anderen eintritt. Sie nimmt uns in Europa, als Mitverursacher und Nutznießer einer ungleichen Weltordnung, in die Pflicht. Nach dem zweiten Zyklon im Jahr 2019 erwogen Opfer sogar, Europäer auf Schadenersatz zu klagen, weil sie zur Erhitzung des Indischen Ozeans beitragen und damit zu weiteren Zyklonen. Ihre Frage an uns: wie und was sind wir bereit beizutragen, dass der Einfluss von Mars in Rhetorik und Praxis unserer politischen, wirtschaftlichen und religiösen Institutionen nicht den der Musen ganz erwürgt…
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