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Leben verweben

Leben verweben

ERINNERUNGEN AN DIE PROJEKTBEGEGNUNGEN

von Ana Schoretits

Leben Verweben — Zwei Worte, die unglaublich viel Stimmung, Gefühl und Hintergrund wiedergeben. Gratulation, liebe Ilse Hirschmann. Du bist der quicklebendige Beweis dafür, wie wohltuend Bild und Wort, Kunst und Handwerk, Nadel und Faden, Stoff und Farbe, Heimisch und Zugewandert eine Symbiose eingehen können. Du ludst ein und wir kamen – obwohl ich mea culpa sagen muss: leider habe ich es nicht allzu oft geschafft. Doch jedes Mal hat sich der Abend gelohnt. Ich lernte Frauen kennen, die Einen mit schwerem Schicksal beladen, die Anderen Anteilnahme zeigend und Begegnung suchend.

„Das Geheimnis der Kunst liegt darin, dass man nicht sucht, sondern findet.“

Pablo Picasso weiß wohl, wovon er spricht. Wir fanden tatsächlich: Raum für das Miteinander, Gastfreundschaft des Europahauses, Textilien und Farben, Wolle und Nadeln, Motive und Themen, eine die andere, Jung und Älter, Geschmack an noch nie probierten Spezialitäten, Gesprächsstoff, der nie ausging, einen Blick über den oft zitierten Tellerrand, Freude am Lachen, mehrere Sprachen mehrerer Länder – Englisch, Französisch, Farsi, Kroatisch, Deutsch, Urdu, Kirundi und österreichisches Deutsch in mancherlei Färbung und den Ehrgeiz, etwas Gemeinsames zu schaffen, das zuerst uns, und dann vielleicht auch anderen gefallen sollte. Es wurde gehäkelt, gestickt, gestrickt, bemalt, zusammengenäht – Wandbild um Wandbild, in einer bunten Vielfalt an Materialien und Farben. In jedem noch so kleinen Stück steckt ein großes Stück Leben. Darin verborgen sind Träume und Tränen, Freude und Angst, Erinnerung und Hoffnung, Gegenwart und Zukunft – und ein starker Wille zu leben und zu überleben.

Gleich zu Beginn lernte ich Sahar, ihre Schwester und ihre Mutter kennen. Die Schwester war bereits recht gut in Deutsch und leistete Dolmetschdienste bei der Caritas und anderen Einrichtungen. Sahar brauchte noch Zeit und Hilfe. Ich bot an, mit ihr Deutsch zu lernen und ein halbes Jahr lang – so lange, bis die afghanische Familie nach Wien übersiedelte – lernten wir Montag für Montag Deutsch. Spielerisch, ohne den Druck des Schulalltags, trotzdem konsequent. Die Themen reichten von Kosmetik über Bäckerei, Verkauf, Vorstellungsgespräch bis hin zu Grundkenntnissen zum Gastland Burgenland und Österreich. Wir aßen Eis und sprachen über Frauen- und Menschenrechte, über die sogenannten „Interviews“ in Wien und das jeweilige Zittern und Hoffen auf das ersehnte Papier: die Aufenthaltsgenehmigung. Die Familie ist fort. Mit ihr auch Sahar, die dunkle, zarte Schönheit mit dem freundlichen Lächeln. Sie fehlt mir.

Was von diesen Zusammenkünften bleibt: die Bestätigung, dass fehlende Sprachkenntnisse kein Hindernis bedeuten, dass Frauen keine Ausbildung benötigen, um ihre Kreativität unter Beweis zu stellen, dass andere Kulturen, Überzeugungen, Erfahrungen Bereicherung schenken, dass Respekt gelebt werden muss, um einander auf Augenhöhe zu begegnen, dass wir nicht immer auf Entscheidungen der Politik warten sollen, sondern Möglichkeiten von Selbstinitiativen ergreifen können und es bleibt uns allen der Dank an Ilse Hirschmann, die es schaffte, Lichtblicke einzufangen, und die uns dazu verleitete, diese in unsere Leben zu verweben.
Thank you, merci, hvala, tashakor, schukria, urakoze, danke, liebe Ilse.

Die farbenfrohen Werkstücke werden noch in der Landesgalerie Burgenland ausgestellt und wir wünschen allen Betrachtern, dass sie genauso viel Freude an ihnen haben, wie wir.

Ana Schoretits, Schriftstellerin, Journalistin, langjährige Redakteurin beim ORF Burgenland, danach Leiterin des Medienbüros der Diözese Eisenstadt. Literarische Sprachen Deutsch und Kroatisch, Übersetzungs-arbeiten und eigene Publikationen, mehrere Preise und Auszeichnungen.

 

 

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