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70 Jahre Allgemeine Erklärung der Menschenrechte

Gedenkveranstaltung mit einem Vortrag des schweizer Politikers, Politikwissenschafters und ehemaligen Europarates Andreas GROSS zu 70 Jahre Allgemeine Erklärung der Menschenrechte am 10. Dezember 2018.

Zusammenfassung des Vortrages von A. Gross und Gedanken von Hans Göttel.

Es gehört zur Tradition des Europahauses, den Tag der Menschenrechte zu feiern, die Idee Menschenrechte zu erinnern und ihre Praxis zu kommentieren. Diese Tradition reicht weit zurück, bis in das Jahr 1978 als Friedensforscher Karl Kumpfmüller, zum damaligen 30jährigen Gedenken an die UN-Menschenrechtserklärung den Schriftsteller und Dissidenten des tschechoslowakischen Staates, Ladislav Mnacko, der ansonsten völlig unbeachtet im Burgenland lebte, in die Öffentlichkeit holte.

Über die Jahrzehnte hat man beim Thema Menschenrechte an die Dissidenten unserer Nachbarländer und an Verfolgte und Drangsalierte in der Dritten Welt, wie Nelson Mandela, gedacht. Wir sind umspielt worden von US-amerikanischer Musik, die zu einem guten Teil direkt aus der Bürgerrechtsbewegung entstand, jedenfalls deren Anliegen formulierte und uns auf ein freies und menschenwürdiges Leben eingestimmt hat. Die vor 70 Jahren erklärten Menschenrechte helfen vielen Menschen unter ungebärdiger Obrigkeit zu überleben und Haltung zu bewahren. Weil diese Rechte verfasst sind, können wir Anspruch erheben, in guter Verfassung zu leben.

Meistens wird dabei der anarchischen und kosmopolitischen Entstehungsgeschichte der Erklärung der Menschenrechte gar nicht gedacht. Albert Camus (1913-1960) verlas am 19. November 1948 in der von kosmopolitischen Aktivistinnen besetzten UN-Generalversammlung, die damals in Paris tagte, eine Weltbürgererklärung. Am 5. Dezember 1948 füllten 12000 Menschen den Pariser Sportpalast, um eine Weltbürgerbewegung aus der Taufe zu heben und die Forderung nach Annahme der Erklärung der Menschenrechte durch die UNO zu fordern, was schließlich am 10. Dezember 1948 durch die genierten Delegierten in der immer noch besetzten Versammlung, erfolgte, um der Randale ein Ende zu bereiten.

In dieser Geschichte erscheint die Erzwingung der Annahme der UN-Menschenrechtserklärung wie ein Coup, der von Intellektuellen, wie Camus, Albert Einstein, Albert Schweitzer u.a. und von einer Ideologie getragen war, nicht jedoch von Staatsinteressen und einem darauf bauenden Kompromiss, wie wir meinen, dass politische Ergebnisse zustande kommen müssten. Eher scheint es ein glücklicher Moment der Geschichte gewesen zu sein, ein Moment, den weder die Staaten, noch überhaupt die Politik bestimmt hat. Die chaotische Lage nach dem Weltkrieg schuf eine Gelegenheit, die von beherzten Menschen als solche wahrgenommen und für eine Aktion genutzt wurde, die einem kosmopolitischen Geist in den Verfassungsrang verholfen hat.

Wie der Schweizer Politiker und Politikwissenschafter, Andreas Gross, in seinem Vortrag in Eisenstadt bemerkte, wäre es heute weder möglich, in der UNO eine Erklärung der Menschenrechte noch im Europäischen Parlament eine Menschenrechstkonvention zu beschließen. Weder die Europäische Union, noch die Vereinten Nationen überwinden den Nationalismus, wie es die Protagonisten sowohl der Weltbürgerbewegung wie auch die der Europäischen Bewegung anstrebten. Sie etablieren und legitimieren ihn vielmehr auf einer höheren Ebene.

Den Proponenten der Menschenrechtserklärung von 1948 ging es um mehr, als Individuen Abwehr- und Mitwirkungsrechte im Hinblick auf ihre staatliche Befindlichkeit an die Hand zu geben. Es ging um die Eröffnung einer Perspektive auf Bürgerschaft jenseits von Staatsbürgerschaft. Man wollte den Anfang machen für eine nicht mehr an eine Nation bzw. an einen Nationalstaat gebundene Bürgerschaft. Damit verbunden war auch die Infragestellung von herkömmlicher Politik als Denk- und Handlungsmuster. Die Vordenker und Akteure von damals vertrauten nicht auf die von den Nationalstaaten betriebenen Politik als Lösungsmodus für globale Probleme, eher war diese Art von Politik als das globale Problem erkannt und entlarvt.
Hannah Arendt (1906-1975) meinte, die Menschenrechte seien im Unglück, wenn sie in einer Sprache repräsentiert werden, die sich oft nur um ein Geringes von den Broschüren der Tierschützer unterscheidet.

 

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