… eine Fläche von 20.000m2 – wo Menschen mit den Mitteln der Natur, Kunst und kultureller Begegnung für eine humanistische, ökologische und kosmopolitische Welt gewonnen werden können.
Eine Einladung zur Weltbürgerschaft.
Oscar Wilde meinte einmal, der Mensch sei für Besseres geschaffen, als Dreck aufzuwirbeln. Wenn von Gärten und Bildung die Rede ist, dann geht es in der Regel nicht um Dreck sondern um Ästhetik. Gärten und Landschaften sind Wahrnehmungen von Stadtmenschen, die nicht davon leben müssen, sondern sich darin ergehen können. Ihr Weltbild formt sich, während sie flanieren und genießen. So war es zum Beispiel in den prachtvollen Barockgärten, allen voran Versailles, die den Spazierenden und Betrachtenden damals eindrucksvoll demonstrierten, wie sich durch die Macht der rationalen Gestaltung ein geordnetes Universum über die sonst noch ziemlich wilde Welt legt. Wer hineingelassen wurde, schritt gerne zur eigenen Überzeugung.
Im 18. Jahrhundert ist die Gartenkunst der Ort weltanschaulicher Tastversuche, die Gärtnerei gilt als die wichtigste Kunst des Zeitalters der Aufklärung, mit den Worten des Begründers der Promenadologie, Lucius Burckhardt, hat „der Weltgeist selbst zum Spaten gegriffen und das Gelände modelliert“. Der Weltgeist, der durch die famosen Gartenanlagen zu uns spricht, sagt uns zwar nichts Eindeutiges, er predigt nicht, Gärtnerei bleibt Kunst, sie wird nicht zur politischen Rede, sie ist einladend, anziehend, eben attraktiv – doch bei aller Offenheit ist die Aussage unmissverständlich. Über Gärten hat man es geschafft, Menschen in ein neues Weltverständnis zu locken. Während sie lustwandelten, begriffen sie das Neue und ließen es sich gefallen.
Ein bestechender Hinweis für eine gute Pädagogik!
Die feinen Gärten der Aufklärung dienten der Veränderung der Blick- und Denkrichtung – von den Kathedralen, die bisher den Blick der Menschen in die Höhe gezogen hatten, in die Gärten und Landschaften, also: vom Himmel auf die Erde, von Gott zur Natur, vom Glauben an ein jenseitiges Glück zur aktiven Glückssuche im Diesseits; vom andächtigen Sitzen und hören, was der Pfarrer predigt, zum selbständigen Promenieren und Ambulieren, um selbst zu sehen, was Sache ist. Die Gärten waren das wichtigste Bildungsformat der Aufklärung, und Immanuel Kant meinte gar: der Lustgarten sei die höchste Form der Kunst überhaupt.
„Globales Lernen“ ist auch ein besonderes Format! Es stellt Lernen in einen, wie es so schön heißt, „globalen Horizont“; ich sage lieber: in einen weltbürgerlichen Horizont. Was ist das für ein besonderer Horizont? Es ist ein Horizont, den die allermeisten Menschen nicht sehen können, und zwar deswegen nicht sehen können, weil sie in eine Volksschule gegangen sind. So sind Mitglieder eines Volkes geworden und denken völkisch, unverfänglicher ausgedrückt: wir denken – national. Wir verstehen uns weder als Erdenkinder noch als Weltenbürger und immer weniger als Gottes Geschöpfe sondern schlicht als Österreicher, Italienerin, Türke, Kroatin usw. Europäisierung, Globalisierung hin oder her, wir denken und lernen immer noch in einem nationalen Horizont, wie aufgeklärt oder borniert auch immer.
So müssen wir erkennen, dass der globale Horizont, den die Gärten der Aufklärung eröffneten, eher der Einstimmung auf und Zustimmung zu Weltermächtigung, Eroberung und rationalen Umformung der Umwelt dienten und weniger dem Wachstum kosmopolitischer Ideen, die im 18. Jahrhundert von den Gelehrten zwar ausgiebig verstreut wurden, jedoch nicht wirklich aufgegangen sind. Heute – im Zeitalter der Globalisierung, wo sie längst wuchern sollten – suchen wir nach den verkümmerten Wurzeln.
Wir wollen uns darum wieder kümmern, in neuen Gärten wachsen lassen, in Gärten, die uns nicht in die großen Machtspiele einbeziehen sondern diesen entziehen. Wir brauchen Gärten, die uns aus dem großen Spiel um die Verwertung der Welt nehmen. In Rio de Janeiro nennt man sie: die Gärten der Gerechtigkeit, in vielen europäischen Großstädten „interkulturelle Gemeinschaftsgärten“. Sie entstehen ungeplant, durch bürgerliche Initiativen, anarchistisch, auf vernachlässigten, öffentlichen Flächen, die sich die Menschen aneignen – und dabei in der Regel auch von den jeweiligen öffentlichen Verwaltungen unterstützt werden. Diese Initiativen sind wichtige urbane Ansätze von Integration geworden, Menschen aus vielen Kulturen bringen ihr jeweiliges Wissen in das gemeinsame Gartenprojekt ein. In Gemeinschaftsgärten wächst weit mehr als nur selbstherangezogenes Gemüse, es entsteht – oft ganz nebenbei – eine Gemeinschaft, die im sozialen Miteinander Kommunikations- und Integrationsprozesse ermöglicht.
Die Idee der Gemeinschaftsgärten geht auf die sogenannten Community Gardens zurück, die seit den 1970er Jahren v.a. in New York entstanden sind. Auf brachliegenden Flächen gründeten sich damals erste gemeinschaftlich getragene Projekte im Stadtteil, die nicht nur neue grüne Freiräume inmitten von einem bebauten und urbanen Umfeld darstellten, sondern außerdem zu einer Revitalisierung und Aktivierung des Stadtteils führten.
Eine ganz bestimmte Form von Gemeinschaftsgärten stellen die sogenannten Interkulturellen Gärten in Deutschland dar, die sich an der Projektidee und Projektzielen der Internationalen Gärten in Göttingen orientieren. Mitte der 1990er Jahre hatten Frauen aus Bosnien, die aufgrund des Krieges ihre Heimat verlassen mussten, die Idee auch in Deutschland wieder Gärten zu pflegen. Das erfolgreiche Konzept wurde zu einem Modellprojekt für viele weitere Interkulturelle Gärten, die in Folge in Deutschland entstanden sind und seit kurzem auch in Österreich zu blühen beginnen. Der Grund für den enormen Erfolg und die rasante Ausdehnung der Idee besteht in der Sache selbst: in unserer Gesellschaft gibt nicht so viele Orte, wo Menschen mit und ohne Migrationshintergrund ein Alltagsthema teilen können .